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Fakt ist …

Editorial Richterzeitung Oktober 2019

 

Österreichs Staatsanwältinnen und Staatsanwälte rücken  vermehrt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Die Gesellschaft wandelt sich. Entscheidungen und Systeme – nicht nur die Justiz – werden nicht mehr als „gegeben“ hingenommen, sondern laufend und öffentlich hinterfragt. Vor diesem Hintergrund ist die Justiz insgesamt gefordert, ihre Öffentlichkeitsarbeit weiter zu intensivieren und den bisherigen Weg der Professionalisierung fortzusetzen. Die Leistungen der Justiz sind herzeigbar; sie vermehrt und verständlich der Öffentlichkeit darzustellen, schafft Transparenz und damit Vertrauen in den Rechtsstaat.

In diesem Zusammenhang gilt es aber auch unreflektiert verbreitete Gerüchte und Unwahrheiten über unseren Stand und unsere Arbeit aus der Welt zu schaffen und faktenbasiert zu informieren.

Hiezu nur einige Beispiele:

1. „Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind nach ausgiebigen Kaffeepausen ab Mittag sowieso nur mehr am Tennisplatz…“

Fakt ist, dass Österreichs Staatsanwältinnen und Staatsanwälte jährlich über 68.000 (!) Ermittlungsverfahren gegen bekannte Täter zu führen haben. Daneben vertreten sie den Strafanspruch des Staates in mehr als 21.000 Hauptverfahren vor Gericht, führen weitere 86.000 Ermittlungsverfahren gegen (noch) auszuforschende unbekannte
Täter, sind für die Fachaufsicht in insgesamt rund 150.000 von nachgeordneten Bezirksanwältinnen und Bezirksanwälten geführten Strafverfahren, die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, zuständig und betreuen mehr als 4.200 internationale Rechtshilfe- und Auslieferungsverfahren – Tendenz stark steigend!
Die 40 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bearbeiten weitere ca. 700 Strafverfahren, die schwere Amts- und
Korruptionsdelikte (mit Ausnahme des Amtsmissbrauchs), Wirtschaftsstrafsachen mit fünf Millionen Euro übersteigenden Schadensbeträgen, sogenannte „Bilanzfälschungsdelikte“ bei größeren Unternehmen sowie Finanzstrafdelikte mit fünf Millionen Euro übersteigenden Schadensbeträgen betreffen.

Fakt ist, dass an jeder der 17 Staatsanwaltschaften in Österreich Staatsanwältinnen und Staatsanwälte jeden Tag 24 Stunden (Journal-)Dienst versehen. In manchen
Behörden ist aufgrund des hohen Arbeitsanfalls auch außerhalb der Dienstzeiten der Einsatz mehrerer Personen im Journaldienst erforderlich.
Die Bezahlung ist im Übrigen sehr überschaubar: Für die Rufbereitschaft werden aktuell € 1,28/Stunde an Werktagen und € 1,79/Stunde an Sonntagen ausbezahlt. Außerhalb der Dienstzeiten gelegene angeordnete Anwesenheiten in der Dienststelle entlohnt der Dienstgeber mit € 33,46/Stunde am Samstag und € 44,44/Stunde am Sonntag. Dabei handelt es sich allesamt um Bruttobeträge.

2. „Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind die Büttel des Justizministers und erledigen Verfahren sowieso nach politischen Wünschen…“

Fakt ist, dass im Jahr 2017 in insgesamt 68.943 Ermittlungsverfahren (nur) 37 Weisungen des Justizministers erteilt wurden. Dies entspricht einem Anteil von 0,05%
und unterstreicht die Qualität der Arbeit der (Ober-)Staatsanwaltschaften.
Im Übrigen holt der Justizminister bei beabsichtigter Weisung zur Sachbehandlung jeweils die Expertise des seit 1. Jänner 2016 eingerichteten Beirats für den ministeriellen Weisungsbereich („Weisungsrat“) ein. Allfällige Weisungen sind schriftlich und begründet zu erteilen und im Akt publik zu machen – verbleiben sohin auch nicht hinter verschlossenen Türen.
Weisungen werden im staatsanwaltschaftlichen Gefüge überdies auch als Ausdruck eines auf einem „Mehraugenprinzip“ basierenden Instruments zur weiteren Qualitätssicherung verstanden.
Kritisch zu beurteilen ist somit nicht die Weisung an sich, sondern hinsichtlich des bloßen Anscheins der möglichen unsachlichen Einflussnahme, die aktuelle Konzeption, ein Regierungsmitglied und damit eine regelmäßig intensiv in das (partei-)politische Geschehen involvierte Person an die Spitze der österreichischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu stellen. Diese Anscheinsproblematik schadet der Justiz und Politik gleichermaßen. Zur staatsanwaltschaftlichen Weisungsspitze hat die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (StAV) bereits vor Jahren umfassende Reformvorschläge erstattet (www.staatsanwaelte.at).

3. „Anzeigen sind viel zu mühsam. Es dauert ja Jahre, bis so ein Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist…“

Fakt ist, dass die durchschnittliche Erledigungsdauer eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens von der ersten Erfassung bei einer Staatsanwaltschaft bis zu dessen Abschluss (nur) 3,1 Monate beträgt.
Bei insgesamt etwa 68.000 jährlich neu anfallenden Verfahren gegen bekannte Täter dauern die Ermittlungen nur in ca. 1.600 Fällen länger als ein Jahr. Dies entspricht einem Anteil von nur 2,44% und ist überwiegend auf eine Vielzahl von im Einzelfall erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen, äußerst umfangreiche Ermittlungsergebnisse, komplexe Sachverhalte und Auslandsverflechtungen zurückzuführen.

4. „Nach den Luxusgehältern kommen dann noch die Luxuspensionen…“

Fakt ist, dass das Einstiegsgehalt eines Staatsanwalts / einer Staatsanwältin in Österreich – nach mehrjährigem Hochschulstudium und einer weiteren, zumindest 4-jährigen justizinternen Ausbildung, die mit der Richteramtsprüfung abgeschlossen wird – aktuell bei ca 2.500 € netto monatlich liegt. Dabei handelt es sich um ein „All-in“-Gehalt. Darüber hinaus gibt es für die im normalen Dienstbetrieb geleistete Arbeit weder bezahlte Überstunden noch Zeitausgleich. Sämtliche zeitliche Mehrleistungen, die insbesondere aufgrund grundrechtsinvasiver Eingriffe (Untersuchungshaften, Durchsuchungen, Sicherstellungen, Telefonüberwachungen etc) und des Beschleunigungsgebots im Ermittlungsverfahren regelmäßig zu erbringen sind – „Dienst nach Vorschrift“ ist in derartigen Konstellationen naturgemäß ausgeschlossen und widerspricht auch dem Selbstverständnis des Standes – sind damit abgedeckt. Dieses „All in“-Gehalt ist somit für den Staat und damit den/die Steuerzahler/-in durchaus kostengünstig.
Fakt ist, dass für alle ab dem 1. Jänner 1976 geborenen bzw. ab 1. Jänner 2005 aufgenommenen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte die Regelungen des Allgemeinen Pensionsgesetzes (APG) zur Anwendung kommen. Die maximal erreichbare Pension ist (wie auch in der Privatwirtschaft nach dem APG) mittelbar durch die Höchstbeitragsgrundlage gedeckelt – von einer Besserstellung, von Luxuspensionen bzw. einer Pensionshöhe von „80% vom Letztbezug“ daher keine Spur! Das Regelpensionsalter beträgt auch für diese Staatsanwältinnen und Staatsanwälte 65 Jahre; ein früherer Pensionsantritt ist mit empfindlichen Abschlägen (meistens 5,1% pro Jahr früherem Pensionsantritt vor dem 65. Lebensjahr) verbunden.
Lediglich für die (stetig immer kleiner werdende Gruppe der) nach dem 31. Dezember 1954 und vor dem 1. Jänner 1976 geborenen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die vor 2005 in den öffentlichen Dienst aufgenommen wurden, gilt das System der „Parallelrechnung“, also einer anteilsmäßigen Berechnung der Pension nach den Bestimmungen des Beamtenpensionsrechts (PG 1965; „Altast“) und nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz (APG 2005; „Neuast“). Je näher in dieser Zeitspanne der Geburtstag zum 1. Jänner 1976 fällt, desto geringer fällt der „Altast“ aus. Anzumerken ist, dass in derartigen Konstellationen auch höhere Pensionsbeiträge als nach dem APG zu entrichten sind.
Die StAV sieht es auch als ihre Aufgabe als Standesvertretung, solche und noch viele weitere Unwahrheiten über unser Arbeitsumfeld und unsere beruflichen Rahmenbedingungen aus der Welt zu schaffen, um so einerseits einen Beitrag zu mehr Verständnis für unsere Herausforderungen zu leisten, andererseits aber auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in unsere Arbeit zu stärken.
Darüber hinaus ist der StAV auch die aktive Kommunikation der Aufgaben der Staatsanwaltschaften und ihrer Rolle im rechtsstaatlichen Gefüge ein zentrales Anliegen.
Basis für diese Aufklärungsarbeit ist unter anderem ein völlig neu aufgebauter Internetauftritt, mit dem nicht nur den dargestellten bzw weiteren Unwahrheiten über die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte entgegengetreten werden soll, sondern mit dem der Öffentlichkeit auch aktuelle, grundlegende und faktenbasierte Informationen zur Verfügung gestellt werden (www.staatsanwaelte.at).

Cornelia Koller
Martin Ulrich

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