Wussten Sie schon …?
Die mit Straftaten oftmals verbundenen dramatischen persönlichen Folgen, aber auch weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen oder prominente Beschuldigte rücken Österreichs Staatsanwältinnen:Staatsanwälte vermehrt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Dabei werden – auch von Verfahrensbeteiligten – manchmal unbewusst, teilweise aber auch gezielt, Falschinformationen mit der Intention eingesetzt, die juristische Auseinandersetzung mit Hilfe der Öffentlichkeit zu beeinflussen. Immer wieder werden auch historisch tradierte Unwahrheiten verbreitet.
Als ein schon von berufswegen der Wahrheitsfindung verpflichteter Berufsstand sehen wir uns nicht nur im Interesse einer korrekten Information der in Österreich lebenden Menschen, insbesondere jener, die mit der Strafjustiz in Kontakt kommen, sondern auch im Interesse aller Kolleginnen und Kollegen veranlasst, diese Unwahrheiten aus der Welt zu schaffen und faktenbasiert korrekt zu informieren.
Die acht gängigsten Fehlinformationen über Österreichs Staatsanwältinnen und Staatsanwälte:
1. (übermäßige) Personalausstattung
Fakt ist, dass in Österreich an 16 Staatsanwaltschaften unterschiedlicher Größe der gesamte Arbeitsanfall in Ermittlungsverfahren und Hauptverfahren vor Gericht, aber auch in Rechtsmittel-, Rechtshilfe- und Auslieferungsverfahren mit insgesamt 326 vorgesehenen Planstellen für Staatsanwältinnen:Staatsanwälte (in weitgehender Vollbesetzung) sowie weiteren 24 Planstellen für Sprengelstaatsanwältinnen:Sprengelstaatsanwälte zu bewältigen ist. Etwa ein Drittel entfällt auf die größte Behörde, die Staatsanwaltschaft Wien mit über 100 Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, an den kleinsten Behörden sind fünf Kolleginnen:Kollegen tätig. Daneben ist mit bundesweiter Zuständigkeit für ausgewählte Wirtschafts- und Korruptionsdelikte die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) mit insgesamt 44 vorgesehenen Planstellen für Staatsanwältinnen:Staatsanwälte eingerichtet. Nach einer Studie des Europarats kommen in Österreich auf 100.000 Einwohner vier Staatsanwälte. Im europäischen Schnitt sind es fast dreimal so viele.
Stand Oktober 2021
2. (mäßige) Arbeitsbelastung
Fakt ist, dass Österreichs 326 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte jährlich 68.251 (!) Ermittlungsverfahren gegen bekannte Täter zu führen haben. Daneben vertreten sie den Strafanspruch des Staates in 21.845 Hauptverfahren vor Gericht, führen weitere 65.594 Ermittlungsverfahren gegen (noch) auszuforschende unbekannte Täter, sind für die Fachaufsicht in insgesamt 272.520 von nachgeordneten Bezirksanwältinnen:Bezirksanwälten geführten Strafverfahren, die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, zuständig und betreuen 3.966 internationale Rechtshilfe- sowie 567 Auslieferungs- bzw Übergabeverfahren.
Die 44 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der WKStA bearbeiten weitere 594 Strafverfahren, die schwere Amts- und Korruptionsdelikte (mit Ausnahme des Amtsmissbrauchs), Wirtschaftsstrafsachen mit fünf Millionen Euro übersteigenden Schadensbeträgen, sogenannte “Bilanzfälschungsdelikte” bei größeren Unternehmen sowie Finanzstrafdelikte mit fünf Millionen Euro übersteigenden Schadensbeträgen betreffen.
Stand Ende 2020
3. (politische) Weisungen
Österreichs Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind monokratisch organisiert; an ihrer Spitze steht der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz.
Fakt ist, dass bei beabsichtigter Weisung zur Sachbehandlung der Bundesminister jeweils die Expertise des seit 1. Jänner 2016 eingerichteten Beirats für den ministeriellen Weisungsbereich („Weisungsrat“) einholt.
(Allfällige) Weisungen sind den Staatsanwaltschaften schriftlich und begründet zu erteilen. Von den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten sind Weisungen im Akt publik zu machen – verbleiben sohin gegenüber Verfahrensbeteiligten auch nicht hinter verschlossenen Türen.
Nach dem Weisungsbericht 2020 wurden – unter Einhaltung dieses Prozederes – (nur) 52 Weisungen erteilt.
Weisungen werden nicht als Instrument unsachlicher, parteipolitischer Einflussnahme begriffen, sondern sind im staatsanwaltschaftlichen Gefüge Ausdruck eines auf einem „Mehraugenprinzip“ basierenden Instruments zur weiteren Qualitätssicherung.
Kritisch zu beurteilen ist somit nicht die Weisung an sich, sondern – aufgrund des Anscheins der möglichen unsachlichen Einflussnahme – die aktuelle Konzeption, ein Regierungsmitglied und damit einen Politiker an die Spitze der österreichischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu stellen. Zur staatsanwaltschaftlichen Weisungsspitze hat die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte umfassende Reformvorschläge erstattet.
4. (überlange) Verfahrensdauer
Fakt ist, dass die durchschnittliche Erledigungsdauer eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens von der ersten Erfassung bei einer Staatsanwaltschaft bis zu dessen Abschluss (nur) 3,6 Monate beträgt.
Bei insgesamt 68.251 jährlich neu anfallenden Verfahren gegen bekannte Täter dauern die Ermittlungen nur in 1.546 Fällen länger als ein Jahr; dies entspricht einem Anteil von nur 2,27% und ist überwiegenden auf eine Vielzahl von im Einzelfall erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen, äußerst umfangreiche Ermittlungsergebnisse, komplexe Sachverhalte und Auslandsverflechtungen zurück zu führen.
Stand Ende 2020
5. (mangelnde) Qualitätssicherung:
Der hierarchische Aufbau, die monokratische Organisation und das in weiten Bereichen vorgesehene Mehraugenprinzip dienen der Qualitätssicherung. Neben der behördeninternen Revision werden insbesondere in komplexen und gewichtigen Ermittlungsverfahren auch die übergeordneten Oberstaatsanwaltschaften, teilweise auch die zuständigen Fachabteilungen im Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz befasst. Wesentliche Grundrechtseingriffe unterliegen ebenso gerichtlicher Kontrolle wie die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens, die das Opfer bekämpfen kann.
Vor diesem Hintergrund sind auch – ohnedies offenzulegende – Weisungen als Instrument der Qualitätssicherung zu verstehen.
6. (übermäßige) Bezahlung
Fakt ist, dass das Einstiegsgehalt eines Staatsanwalts / einer Staatsanwältin in Österreich – nach mehrjährigem Hochschulstudium und einer weiteren, zumindest 4-jährigen justizinternen Ausbildung – die mit der Richteramtsprüfung abgeschlossen wird – aktuell bei ca 2.500 € netto monatlich liegt. Dabei handelt es sich um ein „All-in“-Gehalt. Darüber hinaus gibt es für die im normalen Dienstbetrieb geleistete Arbeit weder bezahlte Überstunden noch Zeitausgleich! Sämtliche zeitliche Mehrleistungen, die insbesondere aufgrund grundrechtsinvasiver Eingriffe (Untersuchungshaften, Durchsuchungen, Sicherstellungen, Telefonüberwachungen etc) und des Beschleunigungsgebots im Ermittlungsverfahren regelmäßig zu erbringen sind – „Dienst nach Vorschrift“ ist in derartigen Konstellationen naturgemäß ausgeschlossen – sind damit abgedeckt. Dieses „All in“-Gehalt ist somit für den Staat und damit den/die Steuerzahler/-in durchaus kostengünstig.
7. (Luxus-) Pension
Fakt ist, dass für alle ab dem 1. Jänner 1976 geborenen bzw. ab 1.1. 2005 aufgenommenen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte die Regelungen des Allgemeinen Pensionsgesetzes (APG) zur Anwendung kommen. Die maximal erreichbare Pension ist (wie auch in der Privatwirtschaft nach dem APG) mittelbar durch die Höchstbeitragsgrundlage gedeckelt – von einer Besserstellung, Luxuspensionen bzw einer Pensionshöhe von „80% vom Letztbezug“ daher keine Spur! Das Regelpensionsalter beträgt auch für diese Staatsanwältinnen und Staatsanwälte 65 Jahre; ein früherer Pensionsantritt ist mit empfindlichen Abschlägen (meistens 5,1% pro Jahr bei früherem Pensionsantritt vor dem 65. Lebensjahr) verbunden.
Lediglich für die (stetig immer kleiner werdende Gruppe der) nach dem 31. Dezember 1954 und vor dem 1. Jänner 1976 geborenen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die vor 2005 in den öffentlichen Dienst aufgenommen wurden, gilt das System der „Parallelrechnung“, also einer anteilsmäßigen Berechnung der Pension nach den Bestimmungen des Beamtenpensionsrechts (PG 1965; „Altast“) und nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz (APG 2005; „Neuast“). Je näher in dieser Zeitspanne der Geburtstag zum 1. Jänner 1976 fällt, desto geringer fällt der „Altast“ aus.” Anzumerken ist, dass in derartigen Konstellationen auch höhere Pensionsbeiträge als nach dem APG zu entrichten sind.
8. (keine) Arbeitsbelastung außerhalb der Dienstzeit
Fakt ist, dass an jeder der 16 Staatsanwaltschaften in Österreich Staatsanwältinnen und Staatsanwälte jeden Tag 24 Stunden (Journal-)Dienst versehen – für ihre Sicherheit, für ihr Recht! Das Verbrechen schläft nie.
In manchen Behörden ist aufgrund des hohen Arbeitsanfalls auch außerhalb der Dienstzeiten der Einsatz mehrerer Personen im Journaldienst erforderlich.
Die Bezahlung ist im Übrigen sehr überschaubar: Für die Rufbereitschaft werden aktuell € 1,36/Stunde an Werktagen und € 1,91/Stunde an Sonntagen ausbezahlt. Außerhalb der Dienstzeiten gelegene angeordnete Anwesenheiten in der Dienststelle entlohnt der Dienstgeber mit € 35,80/Stunde am Samstag und € 47,55/Stunde am Sonntag. Dabei handelt es sich allesamt um Bruttobeträge.