presseaussendung

Presseaussendung der Standesvertretungen der Richter*innen und Staatsanwält*innen betreffend Klarstellung zur Frage der bedingten Haftentlassung des Attentäters vom 2.11.2020

Bundeskanzler Kurz hat in seiner Pressekonferenz am 3.11.2020 gemeint, das Attentat vom 2.11.2020 hätte so nicht stattgefunden, wenn der Täter nicht von der Justiz vorzeitig aus der Haft entlassen worden wäre.
Dazu möchten wir folgendes klarstellen:
Über die vorzeitige, bedingte Entlassung eines Straftäters aus der Haft entscheidet ein unabhängiges Gericht nach Anhörung von Experten. Es sind eine Momentaufnahme und eine Zukunftsprognose, die dieser Entscheidung zugrunde liegen. Sie erfolgt nach bestem Wissen und Gewissen auf Grundlage der vom Parlament beschlossenen Gesetze.
Bedingte Entlassung heißt, die restliche Strafe wird (im Regelfall) für eine Probezeit von 3 Jahren nachgesehen. Begeht der Täter in dieser Zeit wieder eine Straftat oder verstößt er gegen Auflagen, dann kann die Strafnachsicht widerrufen werden – der Täter kommt wieder in Haft und muss den noch offenen Strafrest verbüßen.
Der Vorteil der bedingten Entlassung liegt darin, dass dem Täter Auflagen wie Bewährungshilfe oder die Teilnahme an einem Deradikalisierungsprogramm aufgetragen werden können. Dadurch können über einen längeren Zeitraum der Kontakt mit dem Täter aufrechterhalten und Therapien durchgeführt werden sowie Resozialisierungsmaßnahmen erfolgen.
Verbüßt hingegen der Täter die gesamte Haftstrafe, ist er ohne weitere Auflagen zu entlassen. In diesem Fall gibt keine Möglichkeit der Nachbetreuung und Aufsicht durch die Justiz.
Der Attentäter vom 2.11.2020 wäre ohne bedingte Haftentlassung 7 Monate später im Juli 2020 entlassen worden – ohne weitere Betreuung und gerichtliche Kontrolle. Er hätte diese schreckliche Tat im November genauso begehen können, wenn er die gesamte verhängte Haftstrafe „abgesessen“ hätte.
Die bedingte Entlassung und die dabei erteilten Auflagen eröffneten zumindest die Möglichkeit, auf den Täter weiter einzuwirken, ihn zu deradikalisieren und weitere Straftaten zu verhindern. Leider waren in diesem Fall alle Maßnahmen vergeblich.
Der Umgang mit Dschihadisten nach der Haftentlassung und allfällige Verbesserungen bei den Programmen zur Deradikalisierung müssen nach diesem Terrorakt selbstverständlich diskutiert werden. Auch die Kommunikation zwischen den Behörden muss evaluiert und weiter verbessert werden. Alle Institutionen sind nun dazu aufgerufen, Lösungen für die Zukunft zu finden, damit weitere Attentate mit rechtsstaatlichen Mitteln möglichst verhindert werden können.


Mag.a Sabine Matejka                   Mag. Christian Haider                        Mag.a Cornelia Koller
Präsidentin                                     Vorsitzender                                        Präsidentin

Diesen Beitrag teilen