Stellungnahme der StAV zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Telekommunikationsgesetz 2021, das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz geändert werden sollen

Zum zitierten Entwurf (BMI-GZ 2025-0.272.220) nimmt die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wie folgt Stellung:

Vorauszuschicken ist, dass die geplante Schaffung einer Gesetzesgrundlage für die Überwachung von verschlüsselten Nachrichten und Informationen befürwortet wird, weil es ein erster wichtiger Schritt dazu ist, den Strafverfolgungsbehörden zeitgemäße, den technischen Entwicklungen Rechnung tragende Ermittlungsmaßnahmen an die Hand zu geben, um einen effektiven Schutz der Gesellschaft gegen die sich laufend weiterentwickelnden Bedrohungsszenarien bieten zu können. Die tägliche Arbeit der staatsanwaltschaftlichen Praxis zeigt allerdings, dass die Notwendigkeit der Anpassung der bestehenden Überwachungsmöglichkeiten nicht nur für den Bereich des Staatsschutzes der DSN besteht, sondern auch für Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung. Da (auch) von Kriminellen kaum mehr klassische Telefonie oder SMS verwendet werden, sondern in aller Regel verschlüsselte Kommunikationsprogramme wie WhatsApp, Signal, Telegram oder andere Messengerdienste, geht die herkömmliche Überwachung von Nachrichten zumeist ins Leere. Gerade für den Bereich terroristischer Straftaten, staatsfeindlicher und extremistischer Gruppierungen, aber auch organisierter (Suchtmittel-)Kriminalität besteht ein dringender Bedarf der Schaffung einer grundrechtskonformen, an der Rechtsprechung des VfGH orientierten Rechtsgrundlage für die Überwachung verschlüsselter Nachrichten. So wie im analogen Leben Wohnungen durchsucht und Beschuldigte observiert werden dürfen, sollte im digitalen Raum – zumindest bei schweren Straftaten und unter strengen Auflagen – ein behördlicher Zugriff auf die Datenträger einer Tatverdächtigen bzw. eines Tatverdächtigen zur gezielten Durchsuchung nach inkriminierten Daten und Nachrichten möglich sein.

In diesem Sinn kann das Gesetzesvorhaben nur ein erster Schritt sein. Um das potentielle Spannungsverhältnis zwischen § 6 Abs 4 Z 2 SNG und 15b Abs 4 Z 2 SNG mit der Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren (§ 20 Abs 1 StPO) aufzulösen, braucht es gleichartige Befugnisse auch in der Strafprozessordnung, die bei entsprechenden Anfangsverdachtslagen die Überwachung verschlüsselter Kommunikation auch durch die Staatsanwaltschaften im Ermittlungsverfahren ermöglichen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass in einer Vielzahl von Fällen, in denen zuerst Ermittlungen nach § 11 SNG vorgenommen werden, in weiterer Folge Ermittlungsverfahren im Sinne der Strafprozessordnung einzuleiten sind, weil sich aus der Gefahrenerforschung oder dem vorbeugenden Schutz vor verfassungsfeindlichen Angriffen ein Anfangsverdacht einer Straftat iSd § 1 Abs 3 StPO ergibt. Zu berücksichtigen ist, dass nach dem Gesetzesvorhaben Maßnahmen zur Abwehr von verfassungsfeindlichen Angriffen gesetzt werden können, die zur Aufklärung einer bereits verübten Straftat nicht zulässig sind. So wäre es nach dem Gesetzesentwurf zulässig, die Überwachung von Messengerdiensten zu nutzen, um allfällige weitere Anschlagspläne zu ermitteln, nicht aber um einen bereits verübten Terroranschlag aufzuklären. Eine entsprechende Implementierung in die Strafprozessordnung wird daher ein notwendiger weiterer Schritt sein.

Darüber hinaus sollte die vorgeschlagene Novellierung des § 66 Abs 3 RStDG zum Anlass genommen werden, die in § 190 Abs 4 RStDG vorgenommene Einschränkung auf Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der Gehaltsgruppe St 1 entfallen zu lassen. Eine Novellierung ist erforderlich, um eine Entlohnung außerhalb der Dienstzeit verrichteter Journaldienste und Rufbereitschaften von Staatsanwältinnen und Staatsanwälte anderer Gehaltsgruppen, insbesondere der von der Medienstelle der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft verrichteten Rufbereitschaft, zu ermöglichen.


Mag. Elena Haslinger

Präsidentin

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