Die Staatsanwaltschaft übernimmt immer dann, wenn sich der Verdacht einer Straftat ergibt, die Verantwortung für deren Verfolgung. “Straftaten” sind die Handlungen, die nach dem Gesetz mit gerichtlicher Strafe bedroht sind, also zum Beispiel Diebstahl, Betrug, Körperverletzung, Mord.
Braucht sie dafür eine “Anzeige”? Nein, das Gesetz selbst verpflichtet sie zur Verfolgung. Dass das Opfer einer Straftat die Bestrafung des Täters will, liegt oftmals auf der Hand, ist aber nicht Voraussetzung der Strafverfolgung. Das Gesetz nennt das “Amtswegigkeit”.
Wie geht sie dabei vor? Sie führt – wenn sie einen solchen Verdacht sieht – ein “Ermittlungsverfahren”, entweder bereits gegen eine konkrete Person, oder aber gegen unbekannte Täter. Die Strafprozessordnung regelt dabei genau die Befugnisse und Eingriffsmöglichkeiten von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei einerseits, sowie die Rechtschutzmöglichkeiten der Betroffenen (Opfer, Beschuldigter) andererseits.
Daraus wird auch deutlich, dass die Staatsanwaltschaft das nicht alleine kann: Die Polizei berichtet ihr nicht nur von vorgefallenen Straftaten, sie ist auch diejenige Institution, die die Staatsanwaltschaft für die Umsetzung von Ermittlungsmaßnahmen braucht; beispielsweise für eine Hausdurchsuchung, Telekommunikationsüberwachung, Festnahme, Spurenuntersuchung, Sicherstellung, Vernehmung von Beschuldigten und Zeugen, Observation, kurzum: alles in der Außenwelt, was der Aufklärung einer Straftat dient. Zwar weist die Strafprozessordnung der Staatsanwaltschaft die Leitung des Ermittlungsverfahrens zu, doch sagt sie im selben Paragrafen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft so weit wie möglich im Einvernehmen handeln sollen. Und das wird auch so gelebt. Weil beide Seiten eben nur eines im Auge haben: Die Aufklärung einer Straftat.
Statistisch gesehen wird mehr als die Hälfte der gegen bekannte Täter geführten Ermittlungsverfahren eingestellt: Niemand muss sich “freibeweisen”, sondern die Staatsanwaltschaft hat die Schuld des Beschuldigten zu beweisen. Gelingt dies am Ende (doch) nicht, ist das Verfahren einzustellen. Ist der Beweis erbracht, bringt sie den Sachverhalt vor Gericht und beantragt die Bestrafung des Angeklagten, sie “klagt an” (je nach Delikt mit “Anklageschrift” oder “Strafantrag”). Damit beginnt bei Gericht das “Hauptverfahren”: Hier liegt die Verfahrensführung beim Richter, die Staatsanwaltschaft wird von der Verfahrensleiterin (im Ermittlungsverfahren) zur Verfahrenspartei (im Hauptverfahren). Die Verantwortung für die Strafverfolgung nimmt sie aber in beiden Rollen wahr: Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens (durch Freispruch oder Schuldspruch) achtet sie, genauso wie das Gericht, auf die Wahrung der Rechte sowohl der Opfer, als auch der Beschuldigten. Das Gesetz verpflichtet sie nämlich zur Objektivität, als Leiterin des Ermittlungsverfahrens genauso wie als Anklägerin vor Gericht.
Nicht jedes Verfahren, bei dem die Staatsanwaltschaft am Ende des Ermittlungsverfahrens von der Schuld des Täters ausgeht, endet vor Gericht: In minderschweren Fällen, in denen der Beschuldigte die Verantwortung für sein (in der Regel erstmaliges) Fehlverhalten einräumt, bietet sie ihm auch eine “Diversion”, eine “andere Art der Erledigung” an. Nimmt der Beschuldigte sie an (was er nicht muss), hat er zwar auch mit einer Sanktion zu rechnen, also etwa gemeinnützige Leistungen zu erbringen, sich einem Tatausgleich zu stellen und dgl, er erspart sich aber ein Gerichtsverfahren und – im Fall der Verurteilung – eine Vorstrafe. Die Staatsanwaltschaft entscheidet also ohne Gericht über die staatliche Reaktion auf eine Straftat. Eine Verantwortung, der sie sich bewusst ist.