Zum Gedenken an ihren langjährigen Präsidenten Dr. Wolfgang Swoboda, welcher völlig unerwartet im Jahr 2013 verstorben ist, hat die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte den “Wolfgang Swoboda-Preis für Menschlichkeit im Strafverfahren” gestiftet.
Erstmals wurde mit diesem “Wolfgang Swoboda-Preis” am 21. Februar 2014 im Festsaal des Obersten Gerichtshofes (Justizpalast) Herr Karl Markovics für seine realitätsbezogenen Drehbuch- und Regieleistungen zum mehrfach international ausgezeichneten Spielfilm “Atmen” ausgezeichnet. Ungeschönt zeichnet der Film ein Bild über das Leben in Haft und die Schwierigkeiten eines jungen Mannes, als “Straftäter” gesellschaftlich stigmatisiert wieder in Freiheit Fuß zu fassen.
Rede zur Verleihung des Wolfgang Swoboda Preises 2014 (Auszug):
In der Vorbereitung zu meinem Film „Atmen“ hatte ich das Glück, an entscheidenden Stellen auf Menschen zu treffen, die mir geholfen haben, aus einer diffusen Idee ein konkretes Bild zu machen. Ein paar davon sind heute hier, worüber ich mich sehr freue: Frau Dr. Grabner-Tesar (damals bei Neustart, einer Bewährungshilfeeinrichtung) und Frau Dr. Neuberger-Essenther, Direktorin der Strafanstalt in Gerasdorf. Ohne ihre Hilfe, ohne ihr Engagement, ihre Offenheit und Menschlichkeit, wären mir viele Einblicke verborgen geblieben. Womit ich mir selbst auch schon das Stichwort gegeben habe: „Verborgen“
„Und die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht. Doch man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ Diese Worte, die Bertold Brecht dem Verbrecher Mackeeth, genannt „Mackie Messer“ in den Mund gelegt hat, gelten für alles und jeden.
Es ist immer mehr verborgen, als offenbar. Wir wissen bestenfalls die Hälfte von irgendwas, oder irgendjemand, sogar von uns selbst. Und deshalb ist der Beruf des Richters, des Staatsanwalts, des Verteidigers im Grunde genommen ein unmöglicher Beruf, wie der des Priesters, weil es bei beiden um etwas Absolutes geht: Um Gott im einen Fall und um die Gerechtigkeit im anderen. Doch ebenso wenig, wie wir zu unseren Lebzeiten die Gewissheit Gottes erwarten können, können wir zu unseren Lebzeiten die Gewissheit der Gerechtigkeit erwarten. Alles, was wir tun können ist, unser Menschenmögliches; und ich meine das in zweifacher Beziehung: Was uns menschlich möglich ist und, was das Menschsein möglich macht. Und deshalb darf Justitia nicht blind sein; sie darf den einzelnen Menschen, das Individuum, nie aus den Augen verlieren. Ich weiß schon, dass „ohne Ansehen der Person“ bedeutet, dass ein Reicher nicht besser behandelt werden darf, als ein Armer. Aber vielleicht behandelt man einen Armen ja manchmal sogar schlechter, wenn man ihn nicht wie einen Armen behandelt. Es ist so schon schwer genug, einen Menschen zu beurteilen. Niemand ist „gleich“, weder vor dem Gesetz, noch sonst irgendwo auf dieser Welt. Das einzige, was gleich ist, ist, dass wir alle Menschen sind. Ich bin froh, in einem Land zu leben, wo sich Staatsanwälte in einem Verein für Menschlichkeit im Strafverfahren einsetzen und im Gedenken an einen verstorbenen Kollegen einen Preis stiften. Gerade hier, an diesem Ort, der im Laufe unserer Geschichte immer wieder auch ein Ungerechtigkeitsort war.
Dass ausgerechnet ich der Erste bin, der diesen Preis erhält, macht mich doppelt froh.
Ich danke Ihnen von ganzem Herzen.
Karl Markovics
Wien, 21. Februar 2014